Open-Source-Projekte: Nichts Neues in der Automobilbranche?
Branchenbarometer von Kugler Maag Cie zeigt, warum jetzt Bewegung in den Open-Source-Einsatz kommen könnte
Automobilsysteme basieren zunehmend auf softwaregesteuerten Leistungen und Services. Neue Fahrzeugarchitekturen hin zum Software-definierten Fahrzeug unterstützen die Vernetzung. Kann der Einsatz von Free/Libre Open-Source-Software (FLOSS) helfen, die zunehmende Komplexität zu beherrschen? Das Branchenbarometer „Automotive FLOSS. State of Practice“ von Kugler Maag Cie zeigt: Alle befragten Unternehmen nutzen mindestens ein eingebettetes System, das FLOSS einsetzt. Trotzdem ist die Nutzung (noch) überschaubar. Wird sich dies mit den neuen Fahrzeugarchitekturen verändern?
Nach außen hin ist die Sache klar: Viele Unternehmen der Automobilbranche preisen Open-Source an, teils, um sich Bewerberinnen und Bewerbern als innovativer Arbeitgeber zu präsentieren. Hinter den Kulissen jedoch herrscht Ernüchterung: Verantwortliche sind beispielsweise unschlüssig, wie regulatorische Anforderungen der funktionalen Sicherheit per Open-Source-Einsatz erfüllt werden können. Kugler Maag Cie sprach mit ausgewählten Expertinnen und Experten führender Automobilhersteller und -zulieferer sowie anderer Embedded-Branchen, mit welchem Ziel und mit welchem Umfang in ihren Unternehmen quelloffene Softwares bei der Fahrzeugentwicklung zum Einsatz kommen. Die Ergebnisse überraschen und machen Hoffnung zugleich.
Automotive FLOSS in der Praxis: Status Quo
Die Automobilbranche verlangt nach zugänglicher sowie robuster Software. Auf den ersten Blick scheint FLOSS für die Autohersteller wie geschaffen zu sein, um grundlegende Anforderungen günstig und schnell implementieren zu können. Die Praxis jedoch sieht anders aus. Ein Grund: Die Software-Validierung wäre viel zu aufwendig.
Muss das so bleiben? Im Kommunikationssektor, beispielsweise in Infotainmentsystemen, kommt FLOSS regelmäßig zum Einsatz. Auch die Back-End-Server der Fahrzeugindustrie basieren alle auf Open-Source-Technologien. Warum nicht auch im Fahrzeug? Moderne SW-Technologien ersetzen serverbasierte Fahrzeugarchitekturen und verdrängen die Vielzahl einzelner Steuergeräte. Ist damit der Zeitpunkt gekommen, über den Einsatz von FLOSS intensiver nachzudenken?
Vorteile von Free/Libre Open-Source-Systemen bisher kaum ausgeschöpft
Alle Interviewpartnerinnen und -partner stimmen darin überein, dass die meisten ohnehin schon Free/Libre and Open-Source-Software enthalten. Insgesamt sind die meisten der befragten Unternehmen der Meinung, dass freie Softwares immer noch ein zu hohes Risiko haben, was Gewährleistung und Haftung betrifft. Open-Source-Software-Stiftungen können diese rechtlichen Bedenken beiseite räumen. Außerdem sind proprietäre Lösungen mit hohen Geschäftsrisiken wie Misstrauens-Regulationen und abspringenden Geschäftspartnern verbunden. Beides trifft nicht auf FLOSS zu. Open Source ist aktuell deshalb mehr von der Technik als von der Geschäftsstrategie abhängig. Aus diesem Grund ist die Automobilbranche kein Treiber von großen FLOSS-Projekten, sondern profitiert von den Entwicklungen anderer.
Wie viel Zeit braucht die Automobilbranche für Open-Source-Initiativen?
Die Befragten sind einstimmig der Meinung: Nur wenn sich die Denkweise der Akteurinnen und Akteure grundlegend ändert, können große Projekte in Zukunft realistisch sein. Weitere Hürden sind aber auch die strengen, restriktiven Rahmenbedingen und die längeren Produktlebenszyklen in der Automobilbranche. Nichtsdestotrotz prognostiziert Kugler Maag Cie, dass in einer Zeitspanne von etwa fünf Jahren wesentliche Automobilteile auf der Basis von FLOSS-Komponenten und -Projekten entwickelt werden können.